Update alternativer Wohnungsgipfel: Argumente, Fakten, Termine
Alternativer Wohngipfel überbucht – Protest am Kanzleramt wird groß
Die Wohnungskrise brodelt schon lange in den Städten.
2018 wird als das Jahr gelten,
in dem sich die vielen betroffenen Gruppen endlich zusammengetan haben, um in großer
solidarischer Unterstützung durch weite Teile der Bevölkerung dem Protest eine
übergreifende Dimension zu geben. Es geht im Wesentlichen um die politische
Rahmensetzung aus Bundesebene und es bedarf einer grundlegenden Korrektur: Weg vom
Markt, hin zu den Bedarfen der Menschen!
(Text: Magnus Hengge. Alle Passagen können als Zitate von mir verwendet werden.)
Der Zusammenschluss der Unterstützenden umfasst (Stand heute 17.9.)
191 Initiativen und Organisationen. Es werden täglich mehr, die den Aufruf unter dem Motto »Zusammen gegen #Mietenwahnsinn« unterstützen.
Das zeigt eine gesellschaftlichen Breite, die
deutlich macht, dass eine große Mehrheit im Land, eine andere Wohnungspolitik
wünscht und fordert.
In unserem Aufruf steht klar „Staat und Markt versagen“ bei der
Erfüllung des Menschenrechts auf Wohnen.
Diese Einschätzung wird offensichtlich
nicht nur von linken Gruppen, sondern bis hin zu kirchlichen Vereinigungen geteilt.
Das Versagen zeigt sich nicht nur im für ein reiches Land besonders schändlichen
Fall der schnell wachsenden Wohnungslosigkeit (in Berlin zuletzt um 83%
angestiegen), sondern auch für das Segment der „leistbaren Wohnungen“, in das
Betroffene bis in die gehobene Mittelschicht einzurechnen sind. Für Berlin wurden in
Umfragen repräsentative Werte erhoben: 47% aller Berliner*innen befürchten, sich
ihre Wohnung in den nächsten 2 Jahren nicht mehr leisten zu können. 74% befürchten,
durch Mieterhöhungen die Wohnung zu verlieren.
In Berlin sind im April 25.000 Menschen, in Hamburg anschließend und in München am
letzten Wochenende 10.000 auf die Straße gegangen, um gegen den Mietenwahnsinn und
die Spekulation zu demonstrieren. Auch in Frankfurt ist eine Großdemonstration
angekündigt.
Die Wohnungskrise ist zum bestimmenden Lebensgefühl unserer Zeit geworden.
61% sehen in immer höheren Mietenpreisen eine Bedrohung für den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Da wird deutlich, dass es tatsächlich alle angeht, wenn das Leitbild
einer solidarischen Gesellschaft noch gelten soll. Die Wohnkosten und der
Zusammenhang zur Ungleichverteilung des Eigentums – das ist die Axt bei der Spaltung
der Gesellschaft. Es ist die brennendsten soziale Aufgabe, einerseits Mieten niedrig
zu halten, Mieter*innenrechte zu stärken und alle Menschen als Nutzer*innen in die
Prozesse der Stadtentwicklung mitentscheidend zu integrieren und andererseits die
Finanz- und Immobilienspekulation einzudämmen.
Wir dürfen die Städte nicht den Renditejägern überlassen, die sie in
Anlageportfolios für Reiche verwandeln.
Nur Neubau hilft nicht. Der Schlüssel liegt im Wohnungsbestand.
Oft wird gesagt nur der Neubau könnte helfen, den Druck rauszunehmen und deshalb
müsste es Investoren leichter gemacht werden zu bauen. Es wird so getan als ginge es
um eine notwenige Absenkung der Baukosten, doch eigentlich wollen sich die Bauherren
weiter der Regulierung entziehen und ungestört ihre renditeorientierten Projekte
hochziehen. Sie zielen tatsächlich auf die Absenkung von Wohnstandards, das Umgehen
von Beteiligungsverfahren und das Ausschalten der Eingriffsmöglichkeiten der
kommunalen Verwaltungen.
Genau zu diesem Zweck treffen sich die Vertreter*innen der Immobilien-, Finanz-,
Bau- und Dämm-Lobbys mit der Bundesregierung zu einem „Wohngipfel“ im Kanzleramt und
wir sind uns in großer Breite und unterfüttert von wissenschaftlichen Belegen einig:
Das ist der falsche Weg.
Selbst ein extremer Anstieg des Neubaus könnte gerade mal ca. 1% neuen
Wohnungsbestand aufbauen – wobei man sehen muss, dass die Baufirmen wegen
Überlastung gar nicht dafür zur Verfügung stehen. Neubau hilft nicht, um den Druck
zu nehmen, wenn in Deutschland 2 Mio bezahlbare Wohnungen fehlen. Derzeit führt
jeder Umzug in eine Neubauwohnung zu einem doppelten Preisanstieg im Wohnungsmarkt.
Die Neubauwohnung wird teuer neu-vermietet und die evtl. aufgegebene Bestandswohnung
wird anschließend auch im Preis extrem erhöht. Entweder einfach weil der Rahmen der
erlaubten Erhöhungen es zulässt oder über eine Modernisierung, wodurch die
Mietpreisbremse ausgeschaltet wird. Das soll nicht heißen, dass Neubau verhindert
werden soll. Ja, wir brauchen mehr Neubau und auch Nachverdichtung, aber der
Schlüssel zur Lösung der Wohnungskrise liegt im Bestand, in dem 99% aller Menschen
leben.
Der Druck muss vom Mietenanstieg genommen werden und Bestandsverträge
geschützt werden. Mietspiegel müssen niedrig gehalten werden und Verdrängung
verhindert werden. Das Ausblenden der Aufgaben zum Bestandsschutz und das
Fokussieren auf Neubau hilft da nicht.
3 ganz heiße Probleme: Umwandlungen, Eigenbedarfsklagen und Share Deals
Die Politik der CDU/CSU bestimmt leider in weiten Teilen das Handeln der
Bundesregierung und da gilt als oberster Glaubenssatz, das es gut sei, wenn mehr
Menschen Eigentum an Wohnimmobilien hätten. Darum wird das in allen Bereichen
staatlich gefördert.
Damit handelt der Saat aber grundfalsch. Die Erhöhung der Wohneigentumsquote treibt
die Preise für Grund und Mieten in die Höhe und die Spekulation wird angeheizt. Die
Möglichkeit Mietshäuser in Eigentumswohnungen umzuwandeln und aufzuteilen führt zu
starker Verdrängung, die im Einzelfall dann oft durch Eigenbarfsklagen durchgesetzt
wird. Zumal die Begründungen für Eigenbedarf durch Rechtssprechung extrem
ausgeweitet wurden. Wir fordern hier ein Verbot von Umwandlungen – mindestens in
Milieuschutzgebieten ohne Ausnahmen. Eigenbedarfe müssen gesetzlich klar auf wenige
Fälle begrenzt werden. Alte Menschen müssen ab 70 ihr Alter als Härtegrund geltend
machen können und der Bezug der Eingeklagten muss nachgewiesen werden und falls
nicht vollzogen sanktioniert werden, denn viel zu oft werden Eigenbedarfsklagen nur
dazu verwendet, Bestandsmieter*innen aus den Wohnungen zu werfen.
Am Anfang fast jeder Verdrängung steht der Verkauf oder das Vererben einer
Immobilie. Dabei werden inzwischen 32% aller Immobiliengeschäfte als „Share Deals“ –
also als Verkauf von Gesellschaftsanteilen – gemacht. Diese Form der Veräußerung
ermöglicht es den Käufern, keine Grunderwerbssteuer bezahlen zu müssen und die
Regelungen zum Milieuschutz können umgangen werden. Dies ist zum einen ungerecht
gegenüber normalen Hauskäufer*innen, die sich nicht diesen schlanken Fuss machen
können, aber noch viel ungerechter gegenüber der Gesamtgesellschaft. Warum sollte
z.B. das Sony-Center in Berlin für 1,3 Mrd verkauft werden können, ohne
Grunderwerbssteuer zu bezahlen? Es gibt keinen zu rechtfertigenden Grund dafür, dass
die Gesellschaft hier auf über 60 Mio Steuern verzichten sollte.
Wie viele Kitas könnten damit gefördert werden? Wir fordern, dass Share Deals als
Form der Immobilienübertragung abgeschafft werden müssen. Der Vorschlag der
Finanzminister der Länder ist dabei bisher ein schlechter Witz, über den besonders
die Finanz- und Immobilienbranche dankbar lacht.
Protest gegen die Politik der Bundesregierung
Am Tag vor dem Wohngipfel der Regierung,dem 20.9., der tatsächlich nur ein kurzes Mittagessen
mit unter ein paar wenigen Lobby-Freunden ist, trifft sich im Umweltforum Berlin die
bundesweite Mieter*innenbewegung zum ›Alternativer Wohngipfel‹ unter dem Motto
»Gemeinsam gegen Spaltung, Verdrängung und Wohnungslosigkeit – bezahlbarer Wohnraum
für ALLE statt mehr Rendite für wenige«. Dort werden in einem umfassenden
Workshop-Programm konkrete Maßnahmen und Forderungen erarbeitet, die am Tag darauf,
am 21.9. um 14 Uhr beim ›Protest am Kanzleramt‹ der Öffentlichkeit präsentiert
werden.
Der Alternative Wohngipfel ist bereits stark überbucht, denn das Interesse an
politischer Mitarbeit ist riesig. Am Freitag zur Kundgebung werden Tausende Menschen
auf dem Washingtonplatz erwartet.
Eine parallele Petition ist in kürzester Zeit von
über 20.000 Menschen (Stand 17.9.) gezeichnet worden.
Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz
Eine gemeinsame Pressekonferenz aller Einladenden zum ›Alternativen Wohngipfel‹ am
20.9. und dem ›Protest am Kanzleramt‹ am 21.9. gegen den Wohngipfel von Seehofer und
Merkel findet am 19.9. um 10:30 Uhr in der Bundespressekonferenz statt. Für das
#Mietenwahnsinn-Bündnis wird Magnus Hengge (aktiv bei Bizim Kiez) auf dem Podium
sein.
Anschließend stehen wir für Interviews im Foyer der Bundespressekonferenz zur
Verfügung.
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